Erklärung nach §31 der GO des Deutschen Bundestages zur Abstimmung zu TOP 1 zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Donnerstag, 18.11.2021

Von Sven-Christian Kindler MdB

Wichtiger Schritt zur Pandemiebekämpfung – weitere Maßnahmen müssen folgen

Der Bundestag beschließt am heutigen Donnerstag, 18.11.2021, das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Das ist ein wichtiger Schritt für mehr Rechtsicherheit von notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Zugleich werden wichtige Instrumente zum Infektionsschutz ergänzt und klarer geregelt. Ich werde diesen Gesetzesänderungen daher zustimmen.

Ich fordere die Bundesländer und die Bundesregierung dazu auf, von den notwendigen Maßnahmen angesichts der dramatischen Notlage jetzt umgehend Gebrauch zu machen. Die vierte Welle der Corona-Pandemie in Deutschland droht außer Kontrolle zu geraten. Die Impflücke in Deutschland ist viel zu groß, die Inzidenz der Neuinfektionen ist auf einem Rekordhoch und in einzelnen Regionen und Bundesländern in Deutschland sind jetzt schon die Intensivstationen voll. Absehbar ist bereits heute, dass in den kommenden 10 Tagen mit zusätzlich über 1000 COVID-Intensivpatient*innen zu rechnen ist. Dies führt unser Gesundheitswesen, insbesondere die Notfallversorgung aller Menschen in den besonders betroffenen Bundesländern an und über die Belastungsgrenze.

Vor dieser Entwicklung haben zahlreiche Wissenschaftler*innen und das Robert-Koch-Institut frühzeitig gewarnt. Dass nicht auf sie gehört wurde und die Lage jetzt so eskaliert liegt vor allem in der Verantwortung der bisherigen Bundesregierung und stark von Bundesländern mit hohen Inzidenzen. Angesichts dieses Notfalls bin ich überzeugt, dass die heute zu beschließenden Gesetzesänderungen notwendig, aber noch nicht ausreichend im Kampf gegen die Pandemie sind. Weitere Gesetzesänderungen und Maßnahmen müssen folgen, um die Infektionsdynamik kurzfristig effektiv und nachhaltig zu brechen und einen Kollaps unseres Gesundheitssystems zu verhindern.

Richtig ist, dass der Bundestag Rechtssicherheit schafft, indem die konkreten Regelungen nun im Infektionsschutzgesetz durch den Bundestag definiert werden. Dies gilt unter anderem für die Maskenpflicht, Abstandsgebote im öffentlichen Raum, Kontaktbeschränkungen oder Auflagen für Veranstaltungen. Eine einfache Verlängerung der epidemischen Lage hätte weniger Rechtssicherheit und weniger Klarheit bedeutet. Auch die Differenzierung in §28a, Abs. 1, Nr. 3, die Ausgangsbeschränkungen ausnimmt, aber allgemeine Kontaktbeschränkungen im privaten wie im öffentlichen Raum explizit möglich macht, ist sowohl aus grundrechtlichen Erwägungen als auch im Sinne der Pandemiebekämpfung ein richtiger und wichtiger Schritt.

Richtig sind ebenfalls die zusätzlichen Instrumente, die mit der Regelung geschaffen werden oder in weiteren Gesetzesvorhaben kommen – etwa die verbindliche 3G-Regelung am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln, die Pflicht zum Homeoffice, die Möglichkeit zu 2G, 2G+ und 3G Regelungen, die Wiedereinführung kostenloser Bürgertests oder das strenge Testkonzept für Alten- und Pflegeeinrichtungen. Auch die Pflicht zu einer besonderen Berücksichtigung von Belangen von Kindern und Jugendlichen halte ich für richtig und notwendig.

Die getroffenen Maßnahmen werden angesichts der dramatischen Entwicklung allerdings leider nicht ausreichen. Zum Schutz von Menschenleben bedarf es weiterer Instrumente. Die sogenannte „beschränkte Länderöffnungsklausel“ für eine epidemische Lage in einem Bundesland nimmt künftig die Möglichkeiten des §28a, Absatz 1, Nr. 11 bis Nr. 14 und Nr. 16 als Instrumente der Pandemiebekämpfung aus. Solche Mittel zur Kontaktbeschränkung werden die Länder ohne Not nicht zur Anwendung bringen wollen. Leider ist es aber nicht auszuschließen, dass sie nötig werden können, um einen Gesundheitsnotstand zu verhindern. Vor diesem Hintergrund halte ich es für wichtig diese Instrumente im Rahmen der Öffnungsklausel den Ländern weiterhin als Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang wäre auch eine vollumfängliche Fortführung der Regelungen zum Kurzarbeitergeld richtig.

Außerdem braucht es gerade angesichts der dramatischen Entwicklung in vielen Alten- und Pflegeheimen und dem Infektionsgeschehen in Schulen und KiTas anlog der Regelungen zur Masernimpfung eine einrichtungsbezogene Impflicht zum Schutz vor COVID-19 für Beschäftige im Erziehungs- und insbesondere im Gesundheitswesen. Dies gebietet die Pflicht zum Schutz von Menschen, die besonders vulnerabel sind und/oder sich noch nicht impfen können.

Die Verantwortung liegt nun, nach dem Beschluss des Bundestages, bei den Ländern. Ich erwarte von den Landesregierungen, dass sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umfassende Maßnahmen ergreifen, um die Corona-Pandemie einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Die Reduktion von Kontakten, die frühzeitige Verlegung von Patient*innen in weniger belastete Bundesländer und insbesondere die Organisation der Impfungen – inklusive der Drittimpfungen – muss jetzt sehr schnell verbessert werden, um wie im Sommer mindestens 1 Millionen Menschen pro Tag zu impfen. Hier zeigen einzelne Bundesländer was mit guter Organisation möglich ist. Dies ist mit dem heutigen Beschluss des Bundestages deutlich rechtssicherer als zuvor möglich und muss nun umgehend umgesetzt werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wissenschaft, Solidarität und Konsequenz sind der Weg aus der Pandemie.