Interview mit dem Deutschlandfunk zur Lage in Israel

Donnerstag, 02.03.2023
Den Mord an zwei israelischen Brüdern durch einen palästinensischen Attentäter und die darauffolgenden brutalen Racheakte jüdischer Siedler*innen an Palästinenser*innen in der Stadt Huwara verurteile ich aufs Schärfste. Die Ermordung und die Racheakte müssen strafrechtlich verfolgt und aufgeklärt werden. Mein Mitgefühl gilt sowohl den Verletzten der Ausschreitungen und den Angehörigen des Toten, als auch den Angehörigen der getöteten israelischen Brüder. Ich begrüße, dass Staatspräsident Herzog, der Ministerpräsident Netanjahu und der Verteidigungsminister Galant zumindest die Selbstjustiz der Siedler*innen verurteilt und zur Beruhigung aufgerufen haben. Das ist ein erster wichtiger Schritt. Alle weiteren Vereinbarungen zur Deeskalation, auch zum Stopp des Siedlungsbaus, müssen jetzt eingehalten werden. Dass andere israelische Regierungsmitglieder die angespannte Lage weiter anheizen und Öl ins Feuer gießen, ist absolut inakzeptabel. Ebenso wie ich palästinensische Gewaltaufrufe entschieden ablehne und kritisiere, lehne ich auch entschieden ab und kritisiere die Aussage vom extrem rechten israelischen Finanzminister und Verwalter der Westbank Smotrich die palästinensische Stadt Huwara „auszuradieren“. Das ist scheußlich und unmenschlich.
Angesichts der erneuten Eskalation rächt sich auch, dass es weiterhin keine gerechte Zwei-Staatenlösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 gibt. Mir ist es aber auch wichtig, das volle Bild in Deutschland zu sehen. In Israel gibt es eine lebendige, solidarische und weltoffene Zivilgesellschaft, die sich unermüdlich für die israelische Demokratie und alle darin lebende Bürger*innen einsetzt. Dies zeigen nicht zuletzt die großen Demonstrationen gegen die Justizreform in denen hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Die Gewaltenteilung ist ein Kernbestandteil von demokratischen Rechtsstaaten. Viele Israelis sehen – aus meiner Einschätzung zu Recht – angesichts der aktuellen Pläne zur Einschränkung der Kompetenz und der Auswahlregelungen zum Obersten Gerichtshof die demokratischen und rechtsstaatlichen Standards in Israel in Gefahr. Gerade angesichts inakzeptabler Äußerungen von extrem rechten Mitgliedern der Regierung und der Pläne zum weiteren Siedlungsbau und der Einschränkung der Gewaltenteilung, ist dieses weltoffene und demokratische Israel nicht zu vergessen, das gerade jetzt unsere Solidarität und Unterstützung braucht.